Rede zur aktuellen Stunde „Luftreinhaltung“ am 22.03.2018 von Dr. Wolfgang Deppe
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
am 27. Februar hat das Bundesverwaltungsgericht ein wegweisendes Urteil gesprochen. Es erlaubt Städten, Fahrverbote zu erlassen, wenn anders die Vorgaben der Europäischen Union zur Luftreinhaltung nicht erfüllt werden können. Damit werden die Kommunen auch unabhängig vom Bundes- oder Landesgesetzgeber in die Pflicht genommen, ggf. selbst einschneidende Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit ihrer Bürgerinnen und Bürger vor Luftverschmutzung zu treffen. Dieses Urteil stellt eine Zäsur dar, die auch uns in der Landeshauptstadt Dresden vor
neue Herausforderungen stellt.
Wir verdanken dieses Urteil mit all seinen Konsequenzen letztlich einer Automobilindustrie, für die der Zweck des Profits anscheinend alle Mittel heiligt. Über viele Jahre wurden existierende Normen und Grenzwerte nicht ernst genommen, um ein Vielfaches verletzt und unter systematischem Einsatz von Betrug und Täuschung das Fake des „sauberen Diesel“ aufgebaut.
Wir verdanken dieses Urteil aber auch einer Politik, die systematisch weggeschaut hat. Große und kleine Koalitionen im Bund haben alles gedeckt, was die Autohersteller gesagt und getan haben und sich damit zu Komplizen des Betrugs gemacht. Das Totschlagargument eines drohenden Verlustes von Arbeitsplätzen war stets wichtiger als der vorbeugende Gesundheitsschutz für die Bevölkerung. Und diese Haltung dauert an. Schon verkündet der neue Verkehrsminister schwarzer Couleur, dass er die Autoindustrie nicht zur Hardware-Nachrüstung von schmutzigen Diesel-Fahrzeugen zwingen wird und nichts von Blauen Plaketten hält.
Wie sieht nun die konkrete Lage in Dresden aus? Trotz eines leichten Rückgangs der Stickstoffdioxid-Emissionen seit 2005 wurde an der Messstation Bergstraße der maßgebliche Grenzwert von 40 μg/m3 im Jahresmittel auch in den letzten Jahren regelmäßig gerissen. Die Modellierung für das gesamte Stadtgebiet im Luftreinhalteplan kommt zu dem Ergebnis, dass der NO2-Grenzwert an zahlreichen weiteren stark befahrenen Straßen wie der Bautzner, der Nürnberger, der Teplitzer, der Weißeritz-Straße oder am Schillerplatz ebenfalls nicht eingehalten wird.
Auch bei der Feinstaub-Belastung muss davon ausgegangen werden, dass an einigen dieser Straßen die EU-Grenzwerte fortdauernd überschritten werden. Der Luftreinhalteplan geht davon aus, dass davon etwa 1.500 Bürger unmittelbar in ihrem Wohnumfeld betroffen sind, dazu kommt eine unbekannte Zahl an ihrem Arbeitsplatz. Das mag wenig erscheinen, aber diesen Menschen droht eine direkte Gefährdung ihrer Gesundheit durch Asthma, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie jüngst das Umweltbundesamt eindrücklich festgestellt hat. Diese Menschen haben wie alle anderen einen Anspruch darauf, dass sie von ihrer Stadt vor vermeidbaren Gefahren geschützt werden – und diese Gefahren sind vermeidbar!
Was kann, was muss in Dresden getan werden?
Die gute Botschaft ist: Fahrverbote lassen sich vermeiden. Die Bedingung ist jedoch: dies geht nur, wenn auf andere Art und Weise rasch mehr getan wird.
Kurzfristig wirksam sind dabei vor allem Geschwindigkeitsbegrenzungen. Wir brauchen Tempo 100 auf den innerstädtischen Autobahnabschnitten.
Wir brauchen Tempo 30 auch auf einigen stark belasteten Hauptverkehrsstraßen wie der Bautzner oder der Nürnberger Straße – sowohl zum Lärmschutz als auch zur Luftreinhaltung. Es ist auch ein Hohn, dass an der Bergstraße ein Blitzer aufgestellt wird und 200 Meter weiter gilt plötzlich Tempo 70 und alle Autofahrer geben kräftig Gas. Das Straßen- und Tiefbauamt als Straßenverkehrsbehörde muss hier in die Pflicht genommen und zum Handeln gezwungen werden. Die Ausrede, dass hierzu die gesetzlichen Grundlagen fehlen, trägt nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht mehr!
Mittel- bis langfristig brauchen wir den konsequenten Umstieg auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel. Wir brauchen mehr Radfahrer als Autofahrer. Dazu muss das Radverkehrskonzept der Landeshauptstadt endlich zügig umgesetzt werden. Wir brauchen viele neue Radwege und Radverkehrsstreifen, wir brauchen Radschnellwege und radfahrerfreundliche Ampelschaltungen.
Weiterhin muss der ÖPNV rasch ausgebaut und in den Stand versetzt werden, deutlich mehr Menschen als derzeit zu befördern. Es ist skandalös, dass der Stadtbahnbau 2020 jetzt schon wieder ins Stocken gerät, weil nicht genügend Planerstellen vorhanden sind. Der Stadtrat hat diese Stellen bewilligt, besetzt sie!
Wir brauchen darüber hinaus mehr Job-Tickets und Kombi-Tickets für große Veranstaltungen. Wir brauchen mehr Elektromobilität, Carsharing- Angebote und flexibel vernetzte Verkehrsträger.
Wir begrüßen es, dass es nun in der Verwaltung aus dem GB 6 und 7 einige einschlägige Initiativen gibt und möchten die Umweltbürgermeisterin darum bitten, in dieser Aktuellen Stunde noch konkret dazu zu berichten. Wir freuen uns über die geplante Schaffung von Mobilitätspunkten und einen raschen Ausbau der Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität. Wir begrüßen den Masterplan Green City und hoffen auf rasche Maßnahmenumsetzung. Wir fordern die Verwaltung ausdrücklich auf, sich dafür auch rasch um Fördermittel zu bemühen, die jetzt von der Bundesregierung zur Verfügung gestellt werden.
Es mangelt nicht an guten Ideen in dieser Stadt, es kommt darauf an, dass sie endlich in die Tat umgesetzt werden.
Vielen Dank!